Nach diesem Modul kannst du verstehen, was Teamarbeit im Sinne der AHundV bedeutet, erklären, warum Orientierung zwischen Mensch und Hund die Grundlage jeder Assistenzhundearbeit bildet, nachvollziehen, wie innere Zustände beider Partner sich gegenseitig beeinflussen und einordnen, warum Funktionsfähigkeit immer ein Ergebnis gemeinsamer Regulation ist. Außerdem kannst du reflektieren, welche Rolle du als Halterperson im Zusammenspiel mit deinem Hund einnimmst und wie dieses Zusammenspiel Stabilität im öffentlichen Raum ermöglicht.
Dieses Modul beschreibt die Dynamik, aus der ein Assistenzhundeteam entsteht. Es betrachtet Teamarbeit nicht als Technik, sondern als ein Zusammenspiel zweier Individuen, die ihre Wahrnehmung, Entscheidungen und Belastbarkeit fortlaufend aufeinander abstimmen. Während frühere Module Grundlagen wie Wahrnehmung, Emotionen und Bedürfnisse erklärt haben, verbindet dieses Modul diese Konzepte mit der Frage, wie Mensch und Hund gemeinsam in komplexen Umgebungen arbeitsfähig bleiben. Gleichzeitig setzt es die AHundV in Bezug zur praktischen Realität von Teamarbeit, ohne konkrete Trainingsanleitungen zu geben.
Die AHundV versteht ein Assistenzhundeteam nicht als Beziehung zwischen einem arbeitenden Hund und einer passiven Menschenseite. Sie betrachtet das Team als funktionale Einheit, deren Stabilität, Sicherheit und Orientierung zum Schutz des öffentlichen Raums bewertet werden müssen.
Teamarbeit bedeutet, dass der Hund nicht allein mit Umweltreizen umgehen muss und der Mensch nicht allein Verantwortung trägt. Jede Entscheidung, jede Belastung und jede Veränderung im inneren Zustand eines Partners wirkt auf den anderen zurück. Die Rechtsperspektive erkennt diesen Zusammenhang ausdrücklich an und macht ihn zu einem Bewertungskriterium im Anerkennungsverfahren.
Ein Team ist daher dann geeignet, wenn es gemeinsam – nicht getrennt – arbeitsfähig ist.
Orientierung ist der Prozess, durch den Hund und Halterperson Situationen gemeinsam strukturieren. Der Hund kann nur dann stabil arbeiten, wenn er weiß, woran er sich in der jeweiligen Situation halten kann. Die Halterperson kann nur dann Orientierung geben, wenn sie selbst eine gewisse innere Klarheit besitzt.
Orientierung ist kein aktives „Anleiten“, sondern ein feines Wechselspiel aus Bewegungsfluss, Stimmung, Entscheidungstempo und Wiedererkennbarkeit. Wenn ein Mensch ruhig und vorhersehbar handelt, entsteht für den Hund eine Struktur, die seine Wahrnehmung sortierbarer macht. Wenn der Mensch unruhig, inkonsistent oder überlastet ist, entsteht das Gegenteil.
Assistenzhundearbeit basiert nicht auf Signalen, sondern auf gegenseitiger Orientierung.
Im Alltag bewegen sich Teams durch Umgebungen, deren Dynamik nicht planbar ist. Niemand kündigt an, wann ein Einkaufswagen den Weg kreuzt, wann ein Kind plötzlich rennt oder wann ein Geräusch unverhältnismäßig laut wird. In solchen Momenten zeigt sich Teamarbeit darin, wie beide Partner aufeinander reagieren und wie sie belastende Eindrücke gemeinsam einordnen.
Der Hund sortiert Reize schneller, wenn er eine klare Referenz im Menschen findet. Der Mensch trifft Entscheidungen sicherer, wenn er spürt, wie der Hund die Situation wahrnimmt. Diese wechselseitige Wahrnehmung erzeugt einen gemeinsamen Handlungsspielraum, der es dem Team ermöglicht, auch unter Belastung stabil zu bleiben.
Teamarbeit entsteht nicht durch „Führen“ oder „Folgen“, sondern durch Synchronisation.
Ein Hund reagiert nicht nur auf äußere Reize, sondern ebenso auf die innere Lage seines Menschen. Er spürt Veränderungen in dessen Körperspannung, Atemrhythmus und Entscheidungsfluss. Kleine Verschiebungen reichen aus, um die Verarbeitungslast des Hundes zu verändern.
Umgekehrt beeinflusst der Zustand des Hundes, wie sicher oder unsicher die Halterperson sich fühlt. Wenn der Hund angespannt wirkt, reagiert der Mensch häufig selbst vorsichtiger. Wenn der Hund ruhig bleibt, fällt es der Halterperson oft leichter, Orientierung zu geben.
Diese gegenseitige Beeinflussung bildet die Grundlage für Funktionsfähigkeit. Die AHundV erkennt an, dass Teamarbeit ein System ist, in dem beide Partner fortlaufend aufeinander reagieren – nicht einseitig, sondern wechselseitig.
Öffentliche Räume stellen besondere Anforderungen an Teams. Sie sind unübersichtlich, reizintensiv und sozial komplex. In diesen Umgebungen entscheidet die Qualität der Teamarbeit darüber, ob ein Hund seine Aufgaben sicher und tierschutzgerecht erfüllen kann.
Die AHundV bewertet daher nicht, ob ein Hund „funktioniert“, sondern ob das Team Situationen im öffentlichen Raum gemeinsam stabil bewältigt. Wenn ein Hund einen Teil der Belastung tragen muss, die aus fehlender Orientierung durch die Halterperson entsteht, gilt das Team nicht als funktionsfähig. Wenn ein Mensch sich zu stark auf den Hund verlässt, ohne selbst reguliert zu bleiben, entsteht ebenfalls Instabilität.
Die Teamprüfung orientiert sich an dieser Realität und bewertet daher Stabilität und Orientierung, nicht technische Ausführung.
Teamarbeit ist kein Verhalten, das ein Hund lernt, sondern ein Prozess, der durch innere Zustände, gegenseitige Wahrnehmung und gemeinsame Orientierung entsteht. Ein Team ist dann funktionsfähig, wenn beide Partner die Belastungen des Alltags tragen können, ohne dass einer von ihnen dauerhaft kompensieren muss. Die AHundV macht diesen Gedanken zu einem ihrer zentralen Bewertungsmaßstäbe.
Wenn du verstehst, wie Teamarbeit entsteht, kannst du besser einschätzen, wie du deinem Hund Orientierung gibst, wie du seine Hinweise wahrnimmst und wie ihr gemeinsam Situationen bewältigt, die im öffentlichen Raum unvermeidbar sind.
Welche Momente im Alltag empfindest du bereits als echte Teamarbeit? Wo spürst du, dass du und dein Hund euch gegenseitig stabilisieren? Und in welchen Situationen wird sichtbar, wie sehr innere Zustände beider Partner das gemeinsame Arbeiten beeinflussen?